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So kann ich mich beim Crowdfunding irren …

Derzeit läuft auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo eine Kampagne von mir. Ihr Ziel ist es, Spaced Repetition für den Inhaltstyp Dialog Cards zu ermöglichen. Die ersten zehn Tage sind nun vorbei, und ich habe mich bei mindestens zwei Annahmen geirrt, die ich vor Beginn hatte.

Irrtum Nummer 1: Wo kommen Beiträge her?

Meine erste Fehlannahme betraf die Herkunft der beigesteuerten Beiträge. Ich hatte vermutet, die größte Unterstützung würde aus den USA kommen. Ich hatte im Hinterkopf, dass es dort (aus verschiedenen Gründen) viel üblicher ist, sich an „Fundraising“ zu beteiligen. Eine Statistik aus dem Jahr 2017 stützt zunächst den Gedanken. Der gesamte Crowdfunding-Umsatz belief sich damals in Nordamerika auf 17,2 Milliarden US-Dollar, denen 6,5 Milliarden US-Dollar in Europa gegenüberstanden. Heruntergebrochen auf die Zahl der Einwohner machte das im Mittel rund 53 US-Dollar per Person in Nordamerika und 9 US-Dollar in Europa.

Tatsächlich aber kommen die meisten UnterstützerInnen der Kampagne aus Deutschland! H5P ist dort ziemlich bekannt. Das kann man etwa den zahlreichen entsprechend verschlagworteten Nachrichten auf Twitter entnehmen. Trotzdem kann man daraus natürlich nicht schließen, dass H5P dort so viel beliebter als anderswo wäre. Was aber insgesamt auffällt: Ich kenne die meisten der beitragenden Personen. Manchen davon bin ich schon persönlich begegnet, anderen „nur“ auf Twitter. Auf jeden Fall aber gibt es eine direkte Verbindung zu ihnen. Pierre Bourdieu hätte das wohl als soziales Kapital bezeichnet. Die Verteilung sieht nach den Zahlen von Indiegogo übrigens so aus:

Tortendiagramm zur Beitragsherkunft

Irrtum Nummer 2: Wie hoch sind die Beiträge und wie viele gibt es?

Mein zweiter Irrtum betraf die Höhe der Beiträge. Ich hatte angenommen, dass sie im Mittel bei etwa fünf bis zehn Euro liegen würden. Darüber hätte ich mich mit Blick auf die neue Funktion bereits gefreut — ich finde sie zwar sehr sinnvoll, aber „sexy“ ist sie nicht. Durchschnittlich wurden aber von jeder Person unglaubliche 45 Euro in den Topf geworfen. Das lag aber auch daran, dass sehr großzügige Summen dabei waren. Jemand hat gar unfassbare 250 Euro beigesteuert. Das ist übrigens nicht nur wegen der Höhe an sich super, sondern weil bei hohen Beträgen am Ende weniger Geld an den Zahlungsdienstleister abgeführt werden muss als bei vielen kleinen.

Verschätzt hatte ich mich aber nicht nur bei der Höhe der Beträge, sondern auch bei deren Anzahl. Wie gesagt hatte ich mit deutlich kleineren Summen gerechnet, dafür aber auch mit mehr. Bisher haben sich nur 15 Personen beteiligt. Versteht mich nicht falsch, ich finde das bereits großartig! Ich hatte allerdings vermutet, dass mehr Leute einen kleinen Beitrag für die Funktion (und Open-Source-Software im Allgemeinen) leisten würden — zumal im H5P-Forum zwei Personen explizit danach gefragt hatten und ich auch einen Hinweis dort platziert habe.

Kurzum: Die Kampagne steht nun bei 45 % Zielerreichung, und sie läuft noch 30 Tage. Es kann sich also noch viel ändern. So oder so bedanke ich mich nochmals bei allen, die sich bereits an der Aktion beteiligt haben — durch einen kleinen Beitrag oder schlicht durch das Teilen in sozialen Medien oder anderswo.

Schaltet zusammen „Spaced Repetition“ für #H5P DialogCards frei!

Wie ihr sicher wisst, könnt ihr mit dem Inhaltstyp Dialog Cards von H5P virtuelle Karteikarten zum Lernen anlegen. Kürzlich wurde eine neue Funktion spendiert. Das Erinnern der Inhalte auf den Karten kann nun in Runden ablaufen. Nach jeder Runde werden die Karten bevorzugt präsentiert, deren Inhalte in den vorherigen Runden nicht erinnert wurden. Hat man alles auf einer Karte oft genug hintereinander korrekt beantwortet, wird sie hingegen gar nicht mehr gezeigt. Sie wird als „gelernt“ abgelegt. Dahinter steckt beinahe das Prinzip der „spaced repetition“, wie ihr es etwa vom Leitner-System kennen könntet. Aber nur beinahe.

H5P DIalog Cards in repetition mode

Das Problem ist bisher, dass der Fortschritt nicht gespeichert wird. Es ist daher nicht möglich, etwa eine Runde zu lernen, einen Tag Pause zu machen, eine neue Runde zu absolvieren, einen Tag Pause zu machen, usw. Okay. Ja. Das geht doch, wenn man die Website mit dem Inhaltstyp kontinuierlich geöffnet lässt … :-D Kurzum: Ich habe das fehlende automatische Speichern und Wiederherstellen ergänzt. Außerdem habe ich einen Knopf spendiert, um eine Übung vorzeitig komplett von vorne beginnen zu können.

Der Haken

Der Quelltext ist bereits fertig und wird wie gewohnt offen lizenziert und frei zugänglich gemacht. Die neuen Funktionen werden auch offiziell in H5P integriert und ihr könnt sie dann nutzen. Diesmal gibt es allerdings zunächst eine kleine Hürde zu überwinden. Zunächst müssen über eine Crowdfunding-Kampagne auf Indiegogo 1.500 € zusammenkommen. Wenn ihr H5P voranbringen wollt, euch aber nicht zum Programmieren, Übersetzen, usw. berufen fühlt, könnt ihr (eure Schule, Hochschule, Firma, …) nun also einfach ein paar Euros in den Topf werfen und damit gemeinsam die neuen Funktionen für die Welt freischalten.

„Spaced Repetition“ für H5P Dialog Cards freischalten!

Wer sich fragt, wo das ganze Geld denn hingeht: 500 € bekommt Joubel dafür, um sich um das Code Review und den Release zu kümmern. Indiegogo und der Zahlungsdienstleister halten ihre Hände auf, dann möchte der deutsche Staat noch Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Sozialabgaben sehen … Nein, das ist tatsächlich ein Schnäppchen für euch statt für mich :-D

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Start me up!

Wissenschaftliche Projekte kosten Geld. Mal mehr, mal weniger. Während beispielsweise ein theoretischer Mathematiker oft nur seinen Kopf und freien Zugang zu Kaffee benötigt, können in anderen Bereichen Millionenbeträge fällig werden. Das Kernforschungszentrum CERN etwa verfügte 2010 über rund 850 Mio. Euro – und vermutlich reichte selbst diese Summe kaum.

Neben dem regulären Etat, den eine wissenschaftliche Einrichtung zugewiesen bekommt, können Drittmittel eingeworben werden. Als Geldgeber können etwa Unternehmen in Frage kommen, aber auch Stiftungen oder öffentliche Träger wie beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung. In der Regel müssen dafür umfangreiche Anträge geschrieben werden, in denen die angedachten Projekte haarklein skizziert werden. Hat dieses Unterfangen Erfolg, wird Geld bereitgestellt.

Das klingt erst einmal erfreulich, kann aber auch ganz und gar unerfreuliche Pferdefüße nach sich ziehen. Es ist bei öffentlich geförderten Projekten nämlich so, dass größere Summen nicht einfach das Konto wechseln, sondern nach und nach angefordert werden müssen. Dafür müssen dann wieder Pläne erstellt werden, Geld wird hin- und hergebucht – und im schlimmsten Fall sogar mit Zinsen zurückgezahlt, wenn man sich einmal verkalkuliert hat. Oben drauf kommen mitunter bürokratische Vorgaben, wie gearbeitet werden muss. Dazu vielleicht sogar noch Vorschriften, wo mit welchen Millimeterabständen Logos auf geförderte Schriften zu platzieren sind…

Spendenhut

Geldspenden gesucht

Spannend finde ich es daher, dass vor wenigen Wochen in Deutschland die Plattform Science Starter ihre Pforten geöffnet hat. Sie funktioniert nach dem Prinzip des Crowdfunding. Wissenschaftler können dort für eine gewisse Zeit ihre Projekte vorstellen und die Geldsumme nennen, die sie benötigen. Jeder Interessierte kann Beträge zur Verfügung stellen, kleine wie große, und erhält je nach Höhe sogar ein wie auch immer geartetes Dankeschön. Und sollte die benötigte Geldsumme nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht erreicht werden, wird das eingesetzte Kapital übrigens zurücküberwiesen.

In der Privatwirtschaft funktioniert dieses Prinzip teilweise ganz ausgezeichnet. Gerade dann, wenn man eine gewisse Popularität bereits mitbringt, können sehr große Beträge eingeworben werden. Tim Schafer, in Computerspielekreisen bekannt für legendäre Titel wie The Secret of Monkey Island oder Day of the Tentacle, sammelte schlappe drei Millionen Dollar für ein Spieleprojekt ein – obwohl er „nur“ 400.000 Dollar als Wunsch angegeben hatte.

Ob es vergleichbare Erfolge auch in der Wissenschaftswelt geben wird, darauf bin ich sehr gespannt. Untersucht wird dieses Phänomen beispielsweise vom Institut für Kommunikation in sozialen Medien. Dort erhält man auch gleich praktische Tipps für eigene Projekte:

Ein Crowdfunding-Projekt sollte authentisch sein: es muss erkennbar sein, wer hinter dem Projekt steht. Man sollte erstmal mit einem kleinen Budget anfangen, um sich eine Community aufzubauen.

Speziell den letzten Punkt finde ich wichtig! Im Gegensatz zu Drittmitteln von öffentlichen Einrichtungen erhält man keine strikten Vorgaben, die es einzuhalten gilt, aber natürlich sollte man seine Geldgeber nicht als Melkkühe betrachten! Wer einfach nur die Hand aufhält, dem dürfte wenig gelingen. Wissenschaftler müssen raus aus dem Elfenbeinturm und sich und ihre Forschung öffnen! Es geht, wie so oft im Social Web, um den Aufbau und die Pflege von echten Beziehungen.

Werfen wir abschließend noch einen kurzen Blick auf die Projekte bei Science Starter. Tatsächlich stammen drei der bisher acht Vorhaben aus Braunschweig, und das nehme ich einfach als Auswahlkriterium.

Mit One World One Lab möchte Christian Stern vor Ort dokumentieren, wie unterschiedlich die Arbeit von Wissenschaftlern weltweit aussehen kann. Die dabei entstehenden Videos werden frei zugänglich bei YouTube zu finden sein. Bei UUmed geht es darum, einen drahtlosen medizinischen Sensorknoten zu entwickeln (Open Source!). Dadurch soll es einfacher und kostengünstiger werden, die Entwicklung und den Einsatz von medizinischen Geräten zu erforschen, die den Alltag speziell von älteren Menschen verbessern können. Und schließlich gibt es home – Social Media für alle. Es soll daran gearbeitet werden, auch behinderten Menschen einen sicheren Zugang zu Social Media zu ermöglichen, der aktuell recht problematisch sein kann.

Schaut doch einfach mal bei Science Starter vorbei!