Give your brain a hand

Vergangene Woche bin ich auf Lego Serious Play gestoßen. Dabei handelt es sich um eine Methode, mit der in Seminaren phantasievolle Ideen für die Lösung von Problemen gefunden werden sollen.

Die Teilnehmer sollen zunächst ihre eigene Sicht eines bestimmten Sachverhalts mit Legosteinen modellieren, so dass das eigene Wissen quasi eine greifbare Form erhält. Im Anschluss tauscht man sich darüber aus und spielt, verändert die Modelle und kommt so vielleicht auf ganz neue Ideen (erinnert mich an Synektik). Überraschend fand ich, dass die Methode in der (knallharten?) Geschäftswelt entwickelt wurde und dort beispielsweise im Bereich der strategischen Planung oder der Organisationsentwicklung genutzt wird.

Lego Figur: Piratenkapitän

Give your brain a hook! Arrrrr!

Was steckt dahinter? Lego Serious Play ist aus lernpsychologischer Perspektive im Konstruktivismus verortet: Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch sein Wissen auf Grundlage seiner individuellen und subjektiven Erfahrungen selbst konstruiert. Das „Vermitteln“ von Wissen, gewissermaßen das Übertragen von einem Kopf in den anderen, ist also gar nicht ohne Weiteres möglich. Lego Serious Play bedient sich einer Weiterentwicklung dieses Gedankens, die Konstruktionismus genannt wird und auf Seymour Papert zurückgeht. Die Theorie besagt, dass die besagte Konstruktion von Wissen nicht nur eine kognitive Komponente besitzt, sondern auch eine sensorisch-motorische und eine emotionale: Denkprozesse laufen in Verbindung mit körperlicher Bewegung und Gefühlen anders ab und können so zu einem tieferen Verständnis führen. Man kennt das bereits von Johann Heinrich Pestalozzis Forderung nach ganzheitlichem Lernen mit „Herz, Hand und Verstand“. Bei Lego Serious Play soll sich daher die Konstruktion von Wissen in der Konstruktion von Legomodellen widerspiegeln. Man kann die eigenen Gedanken anfassen. Man gibt dem Gehirn quasi eine Hand. Die Gefühlsseite kommt durch das Spielen hinzu, und mir macht das Bauen mit Legosteinen auf jeden Fall viel Spaß.

Kurzum: Ich arbeite an einem BWL-Institut und bin dort in die Lehre eingespannt. Lego Serious Play kommt aus der Unternehmenswelt und wird dort eingesetzt. Ich mag Lego sehr und die Methode kommt meinem Lehr-Lern-Verständnis entgegen. Was liegt also näher, als die Methode auch einmal bei uns einzusetzen, zu erproben und darüber zu berichten? Die offiziellen Einstiegsunterlagen sind unter Creative-Commons-Lizenz verfügbar (noch ein Sympathiepunkt mehr), aber zusätzlich würde ich mich gerne mit jemandem austauschen, der bereits Erfahrung dazu gesammelt hat oder sich nun auch dazu angespornt fühlt. Wer mag?

Es gibt immer noch Grau zwischen Schwarz und Weiß – ja, warum eigentlich?

Vielleicht stehe ich unter dem Einfluss der Medikamente, die ich in den letzten Tagen wegen einer Erkrankung konsumieren durfte, vielleicht bin ich auch einfach nur ein notorischer Querulant oder es liegt am Wetter – es muss sich jedenfalls etwas ändern.

Seit dem von WikiLeaks ausgelösten US-Depeschenkrach mache ich mir wieder verstärkt Gedanken um meine gedankliche Konstruktion der Welt. Für mich ergab der Ausspruch „information wants to be free“ – öffentliche Daten sollten frei zugänglich sein – nämlich unmittelbar und unbedingt Sinn, ohne dass ich wusste warum. Das fand ich schon seltsam. Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich das Buch „Hackers“ gelesen, das irgendwo als so etwas wie die gedankliche Quelle hinter WikiLeaks bezeichnet wurde. Darin werden die Anfänge der Computerzeit am MIT in Cambridge beschrieben. Doch es dreht sich weniger um die Technik als vielmehr um die Menschen, die von der Computerei fasziniert waren und sich nicht dafür interessierten, ob die Außenwelt sie für Spinner hielt. Sie erkundeten die Systeme, sammelten neues Wissen, gaben es bereitwillig weiter, damit es jemand anderes benutzen oder verbessern konnte. Das taten sie um der Sache willen, nicht um berühmt zu werden. Unbewusst lebten sie das, was man heute als Hacker-Ethik bezeichnet:

  • Access to computers — and anything which might teach you something about the way the world works — should be unlimited and total. Always yield to the Hands-On Imperative!
  • All information should be free.
  • Mistrust Authority — Promote Decentralization.
  • Hackers should be judged by their hacking, not bogus criteria such as degrees, age, race, sex, or position.
  • You can create art and beauty on a computer.
  • Computers can change your life for the better.

In diesen Richtlinien (die übrigens nicht in Stein gemeißelt sind und diskutabel bleiben, so gibt es beispielsweise die Ergänzungen „Mülle nicht in den Daten anderer Leute.“ und „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen.“) und dem Drumherum im Buch habe ich sehr viel von mir selbst entdeckt. Und das erklärt auch, warum mir einige Sitten und Bräuche des Wissenschaftsbetriebes ziemlich sauer aufstoßen: kein freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen (Open Access), das Bewerten von Menschen nach deren akademischem Grad oder das Streben nach persönlichem Ruhm statt nach der „Wahrheit“. Das kann doch so nicht weitergehen!

Höre ich Ja-Abers? Aber es gäbe doch finanzielle Zwänge. Aber das System könne man doch so nicht ändern. Aber dies und jenes müsse man doch berücksichtigen. Man müsse halt einen Mittelweg finden, einen Kompromiss eingeh… Halt. Stopp. Nein. Das kann ich nicht mehr hören. Das kann doch nicht immer und überall die Lösung sein. Warum soll denn nie schwarz oder weiß als Antwort genügen? Sind wirklich immer diffuse Grautöne die bessere Wahl, obwohl sie niemanden wirklich glücklich machen? Die Frage ist für mich offen und keinesfalls klar.

Unglücklich ist offenbar auch Christian Spannagel mit seiner Situation im Wissenschaftsbetrieb, er sucht nach einem Ausweg und auf die (Zwischen-)Ergebnisse bin ich sehr gespannt. Sein erster Schritt ist ein gesundes Sich-selbst-an-die-eigene-Nase-fassen: Christian hat seine öffentliche Publikationsliste gelöscht, weil es ihn stört, dass so etwas nur der Reputation dient. Und da ich sein Vorgehen ganz richtig finde, habe ich dasselbe getan. Passt gut zu meiner E-Mail-Fußzeile, aus der ich schon vor einer Weile den akademischen Grad aussortiert habe. Irgendwann muss sich ja mal etwas ändern.

Kittee hacking

paint it black – operation black face

Auf Twitter bin ich heute mehrfach gefragt worden, weshalb mein Profilbild gerade pures Schwarz zeigt. Die Antwort? „Operation Black Face“!

Profilbild für die Operation Blackface; image for operation blackface

Operation Blackface

Vielen bereiten die Angriffe auf WikiLeaks und die Idee dahinter Sorge, sie fürchten um die Informations- und Redefreiheit – zum Beispiel Human Rights Watch, der Chaos Computer Club und zahlreiche Presseorgane und Privatpersonen, darunter auch ich. Einige WikiLeaks-Anhänger haben daher dazu aufgerufen, am 18.12.2010 seine Sympathie zu bekunden, indem man auf Social-Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook ein komplett schwarzes Profilbild einstellt. Und da in einigen Ländern der Erde schon der 18.12.2010 ist…

Natürlich ist das nur eine symbolische Aktion, die außerhalb des Netzes sicher kaum wahrgenommen wird. Einerseits können aber so einige Leute auf die gesellschaftliche Bedeutung des Themas aufmerksam gemacht werden, wenn sie wegen des „merkwürdigen Profilbildes“ nachfragen. Andererseits soll es flankierend „Operation Paperstorm“ geben, die Informationen auch in die reale Welt tragen soll. Mittels Flyern, Plakaten, was immer man aus Papier so machen kann.

Also: „paint it black“!