Frühjahrsputz, die Zweite

Ein Blick auf den Kalender verrät uns: Wir haben endlich Frühling. Und wie schon im vergangenen Jahr entrümpele ich die Wohnung ein bisschen. Aussortiert habe ich über sechs Kilogramm Bücher und DVDs, in einen Karton verpackt und für einen glücklichen Gewinner bereitgestellt.

Frühjahrsputz 2011

Frühjahrsputz 2011

Um da dran zu kommen, muss man allerdings ein kleines Rätsel lösen. Wer als erster eine korrekte Antwort im Kommentarbereich hinterlässt (ist nicht ganz eindeutig, daher vielleicht kurz den Lösungsweg erläutern), darf sich Sieger und nennen. Also, los geht’s:

Ich hoffe, es kommt nicht erst in 4499 Jahren jemand auf die Lösung, aber welche Aussage versteckt sich im folgenden Bild?

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Frühjahrsrätsel 2011

Die Touristenmetapher – ein Versuch

Bei einer frühstückstischphilosophischen Diskussionen zwischen @adahlma und mir kamen wir auf die Idee der Touristenmetapher, mit der man einen Lernprozess über einen längeren Zeitraum veranschaulichen kann.

Als Tourist kommt man in eine fremde Stadt mit zahlreichen Attraktionen, wie in Berlin vielleicht das Brandenburger Tor oder der Gendarmenmarkt. Die erkundet man vielleicht auf einer Busrundfahrt, bei der ein Fremdenführer ein paar Sätze über diese oder jene Station verliert und mit ein paar spannenden oder witzigen Anekdoten anreichert. Das entspräche in etwa dem Prinzip Vorlesung, bei der man einen Überblick über ein Gebiet erhält. An einigen Sehenswürdigkeiten könnte man einen Halt einlegen und sie genauer betrachten, eine Führung mitmachen und Details erfahren. Das entspräche dann vielleicht einem Seminar.

Der Knackpunkt ist dabei, und das haben wir beide festfestellt, dass man erst nach einem längeren Zeitraum auch selbständig von einer Attraktion zur anderen findet; es dauert eine ganze Weile, bis man Zusammenhänge tatsächlich begreift. Dafür muss man sich schlicht eine Weile in einer Stadt aufhalten. Genau diese Erfahrung habe ich selbst gemacht, als ich in Berlin wohnte: Plötztlich ging mir auf, wie man vom Brandenburger Tor zum Gendarmenmarkt kommt. Andere Orte, an denen ich zuvor schon gewesen war, erkannte ich wieder und konnte sie einsortieren. In meinem Kopf entstand so etwas wie ein Stadtplan, auf dem weiße Flecken nach und nach durch Einträge ersetzt wurden. Genauso hat es in höheren Semestern erst Klick gemacht zu einigen Dingen, die in Einführungsveranstaltungen dran waren.

Wenn man also nur auf Bustouren setzt, kommt man sicher auch irgendwann von A nach B, allerdings nur über die großen Straßen. Warum sich nicht einfach einen Stadtplan schnappen und auf eigene Faust Schleichwege erkunden, auf denen man dann sicher die eine oder andere Sache entdeckt, die auch ganz spannend ist? Dann kennt man darüber hinaus auch Alternativrouten zum Ziel, falls eine wegen einer Baustelle gesperrt sein sollte und man sonst nicht weiterkommt.

Was sagt uns das? Tourist sein allein genügt nicht, um sich wirklich gut in einer Stadt zurecht zu finden. Das können Einheimische besser. Andererseits, auch das haben wir festgestellt, wissen Touristen oft viel mehr über die Sehenswürdigkeiten einer Stadt als deren Bewohner selbst. Experten auf der einen Seite, Generalisten auf der anderen.

Was sagt uns das noch? Bustouren und Führungen sind ganz nett, man lernt auch etwas dabei. Wenn man aber irgendwo in der Stadt ausgesetzt wird und nun allein den Weg zum Hotel finden soll, wird es sicher schwierig. Das Problem stand so nicht im Reiseführer, Lehrplan oder Skript. Da wäre es hilfreich, sich nicht nur auf das angebotene Wissen zu verlassen und das drauf zu haben, sondern eigene Erkundungen zu machen. Dazu könnte man natürlich auch elektronische Hilfsmittel benutzen, Google Maps etwa oder die Wikipedia. Prima! Aber man sollte auch daran denken, dass der Strom ausfallen kann oder die Akkuladung zur Neige geht. Aber das kennt man ja vom Blended Learning.

Wie auch immer man das anstellt, es kostet Zeit! Nicht einen Monat, nicht ein Semester, sondern vielleicht das gesamte Studium und wahrscheinlich sogar darüber hinaus. Als Lernender sollte man daher nicht gleich verzweifeln, wenn ein Gebiet so unüberschaubar groß vorkommt und man gar nichts zu verstehen scheint. Nicht aufgeben. Als Lehrender sollte man im Gegenzug auch Geduld haben und nicht erwarten, dass jemand in kurzer Zeit denselben Überblick hat wie man selbst – die sind nicht gleich alle doof oder lernunwillig. Statt nur Führungen anzubieten kann es zudem nicht schaden, das selbständige Auskundschaften der Umgebung anzuregen – das geht aber sicher nicht nach dem Motto: „Hier ist der Stadtplan, seht zu!“

Spektakulär ist diese Metapher nicht, sicher ist auch schon einmal jemand darauf gekommen. Aber ich finde, man kann recht viel damit anfangen und sie sicher auch (im Kommentarbereich?) erweitern.

POL ohne Jean

Der eine oder andere wird es wissen: Ich absolviere gerade das Programm Weiterbildung in der Hochschullehre (WindH) und habe als Wahlpflichtveranstaltung heute Problemorientiertes Lernen (POL) besucht.

Problemorientiertes Lernen (auch Problembasiertes Lernen oder englisch Problem-Based Learning) ist eine gemäßigt konstruktivistische, anwendungsorientierte Lernform, bei der ein spezielles Problem im Mittelpunkt steht (man könnte es vielleicht auch packenden Stoff nennen) und von Lerngruppen möglichst eigenständig bearbeitet wird. Ausgehend davon folgt POL einem typischen Ablauf, der in mehrere Schritte gegliedert wird (häufig sind das sieben, in der Fortbildung waren es acht):

  1. Verständnisfragen klären
  2. Teilprobleme definieren
  3. Ideen und Hypothesen sammeln
  4. Ergebnisse strukturieren
  5. Eigene Lernziele formulieren
  6. Informationen beschaffen und bearbeiten
  7. Präsentieren und Diskutieren
  8. Vorgehen reflektieren

POL erinnert also auf den ersten Blick an klassische Fallstudienarbeit, fördert aber besonders die aktive Beteiligung der Lernenden, um Wissen zu konstruieren. An einigen Unis wird die Methode gar hochschulweit eingesetzt (beispielsweise in Maastricht, Newcastle oder Linköping).

Mein Eindruck ist zwar grundsätzlich positiv, aber dennoch zwiespältig. POL scheint ganz gut zu funktionieren. Wir haben in den Gruppen die gestellten und selbst erarbeiteten Probleme (bis Schritt 5) ganz gut bewältigt, es kamen relevante Aspekte auf, an welche die Problemsteller gar nicht gedacht hatten. Am eigenen Leib fand ich das strikte, schrittweise Vorgehen allerdings recht einengend; an einigen Stellen hatte ich Ideen, aber dafür war laut Schema gerade kein Platz vorgesehen – diese „Störung“ wurde also nicht behoben, das Neuron durfte nicht feuern.
Und auch wenn die einzelnen Phasen für sich genommen sehr unterschiedlich und abwechslungsreich gestaltet werden können, wird der Wissensentstehungsprozess phasenweise linearisiert. Das ist einerseits praktisch, da POL so einfacher anwendbar wird. Andererseits kam mir das irgendwie paradox vor: Ziel soll es sein, möglichst frei selbst zu denken und ein Problem umfassend zu betrachten, nicht in bekannte Schemata zu verfallen – und dafür wird dann ein festes Schema benutzt? Aber vielleicht habe ich in dieser Ein-Tages-Veranstaltung zu wenig mitbekommen, etwas falsch verstanden oder bin einfach nur „Jean-POL-geschädigt“ :-)

Ich habe zwar in nächster Zeit keine Veranstaltung, in der ich POL ausprobieren könnte, aber ich werde es auf jeden Fall im Hinterkopf behalten. Die selbst zu strukturierenden „Probleme mit Unschärfe“ als Ausgangspunkt für eine Lerngelegenheit sind mir auf jeden Fall sympathisch.