Geh mich ausm Wech oder ich schneid dir durch!

Guybrush Threewood

Guybrush Threewood

Gestern habe ich schon meine Erfahrungen zur Methode Schillerstraße geteilt, heute geht es ums Beleidigungsfechten. Kommt euch bekannt vor? Dann seid ihr vermutlich alt (oder nerdig) genug, um das famose Computerspiel The Secret of Monkey Island zu kennen. In dem klassischen Point-and-Click-Adventure gibt es Fechteinlagen, die per Dialog entschieden werden. Auf die Beleidigung des Gegners muss eine passende Entgegnung gefunden werden. Angenommen ihr werdet beleidigt mit: „Ich kenne einige Affen, die haben mehr drauf als du!“ Was antwortet ihr dann? Logisch: „Aha du warst also beim letzten Familientreffen!“ Das funktioniert natürlich vom Prinzip her auch in der Straßenbahn, beim Polterabend oder im Hörsaal ;-)

Die Idee für die folgende Übung stammt nicht von mir, aber sie wurde etwas erweitert und in Übereinstimmung mit einem Teilnehmer Beleidigungsfechten getauft. Ziel der Geschichte ist es, sein Optionenspektrum bei verbalen Angriffen zu erweitern und eine Idee dafür zu bekommen, was davon gut zu einem selbst passt. Mit ein wenig Übung kann man sich auch ein paar „Floskeln“ zurechtlegen, mit denen man im Falle des Falles „spontan“ reagieren kann.

Vorgeplänkel

Um Verbalattacken ebenfalls verbal begegnen zu können – gar nicht unbedingt deeskalierend – gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die lassen sich mit einer Methode der Wahl vorstellen. Eine unvollständige und nicht zwingend trennscharfe Liste könnte grob kategorisiert folgendermaßen aussehen:

Spiegeln/Paraphrasieren

Wer lediglich den Inhalt des Angriffs mit eigenen Worten als Frage wiedergibt, spielt den Ball einfach wieder zurück und kann dem Gegenüber den ersten Wind aus den Segeln nehmen. Dazu eignen sich etwa die Floskeln:

  • „Sie meinen also, dass…“
  • „Was ich verstanden habe, ist…“

Nachfragen/Hinterfragen

Mit Nachfragen bittet man sein Gegenüber, seine Kritik doch zu präzisieren – das kann bei Pauschalaussagen hilfreich sein und bringt den Angreifenden womöglich auch dazu, über seine Aussage noch einmal nachdenken zu müssen. Beispielhafte Gegenfragen:

  • „Wie meinen Sie das?“
  • „Was genau?“

Selbstoffenbarung

Es kann bei Verbalangriffen hilfreich sein, dem anderen darzulegen, was sie in einem selbst auslösen. Typischerweise begibt man sich damit unter die Wasseroberfläche des klassischen Eisbergsmodells, von der rationalen Sachebene zur emotionalen Beziehungsebene. Beispielantworten:

  • „Ich bin überrascht, dass…“
  • „Ihre Aussage löst … in mir aus.“

Judo

Judo ist eine aus Japan stammende Kampfkunst, bei der man durch Nachgeben siegt. Vergleichbar ist das Prinzip, den für einen selbst wahren Kern des Verbalangriffes herauszustellen, dann aber seine eigene Position zu verdeutlichen. Das Wort „aber“ liegt nahe. Genau das sorgt bei manchen aber für Bauchschmerzen, weil man damit kontra gibt. Nun, zumindest ich kann damit leben, nicht alles in Watte zu packen. Beispiele:

  • Ich verstehe Ihre Sicht, aber…“
  • Es ist richtig, dass… Ich sehe aber auch, dass…“

Metaebene

Metakommunikation kann unglaublich viel dazu beitragen, um Situationen zu klären. Dafür empfehle ich mindestens den kurzen Beitrag „Mesakommunikation und Metakommunikation“ von Gunter Dueck (oder gleich sein Buch „Verständigung im Turmbau zu Babel„). Möglichkeiten, die Mesoebene des Gesprächs zu verlassen sind etwa:

  • „Was genau passiert hier eigentlich gerade?“
  • „Was ist gerade unser Ziel des Gesprächs?“
  • „Was bezwecken Sie mit dieser Aussage?“

Konfrontation

Nicht die eleganteste Wahl, mitunter aber auch eine gute Abwehr, ist die Konfrontation. Manch eine/r erwartet eher, ein „Opfer“ vorzufinden und sieht von weiteren Angriffen ab, wenn er/sie auf Widerstand trifft. Beispiele (mit einem Schlenker Selbstoffenbarung, damit es nicht in „Angepampe“ endet):

  • „Sie beleidigen mich gerade!“
  • „Ihre pauschale Feststellung erstaunt mich!“

Humor

Nimmt man’s mit Humor, kann das so manchen Verbalangriff abwehren. Dummerweise kann a) aber auch das Gegenteil bewirken, wenn sich das Gegenüber dadurch ebenfalls angegriffen wird und b) habe ich dafür keine guten Beispiele, die halbwegs allgemein genug sind. Humor hängt halt stark von der Situation und den Personen ab.

Nachäffen in Idiotensprache

Die Geheimwaffe: funktioniert garantiert bei jedem Verbalangriff, auch spontan. Ist aber die Spaßergänzung :-) Danke an die Teilnehmerin, die mich darauf aufmerksam gemacht hat!

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Schlacht

Nach dem Vorgeplänkel geht es in die Schlacht. Alle TeilnehmerInnen sammeln auf Moderationskarten verbale Angriffe, Killerphrasen und Totschlagargumente. Idealerweise sind das solche, mit denen sie schon konfrontiert worden sind. Ich habe selbst auch eines eingebracht:

„Was bilden Sie sich überhaupt ein, Sie sind ja noch nicht einmal promoviert!“ (Originalzitat)

Die Karten werden eingesammelt, gemischt, und gleichmäßig unter allen aufgeteilt. Es folgt das eigentliche Beleidigungsfechten: Jemand fängt an, eine andere Person mit einem der Verbalattacken anzugreifen. Das Gegenüber kann sich eine Verteidigungskategorie aussuchen und damit kontern, nach Wahl mit der vorgestellten Floskel oder mit einer ähnlichen Antwort. Danach sucht sich der-/diejenige jemanden aus, der noch Karten hat und greift ihn/sie an, usw.

Alternativ oder zwischendurch lässt sich der Modus ändern. Es kann beispielsweise eine bestimmte Antwortkategorie vorgegeben werden, damit bewusst die eigene Komfortzone verlassen wird.

Wunden lecken

Wir haben das Beleidigungsfechten nun zweimal so ausprobiert. Ich finde, es ist nicht der Knaller, aber es hat positive Rückmeldungen geerntet. Die Anregung einer Teilnehmerin würde ich aber künftig aufgreifen: In einer Workshop-Gruppe von 10 Personen hat sie sich etwas eingeschüchtert gefühlt und hätte es besser gefunden, zwei Kleingruppen daraus zu machen. Gute Idee, wie ich finde! Wer zu dem Thema einen guten Literaturtipp für mich hat, darf ihn gerne als Kommentar hier lassen.

Ach so, und wer das Beleidigungsfechten von Monkey Island ausprobieren oder wiederentdecken möchte, sollte unbedingt die Neufassung als Online-Browser-Spiel ausprobieren!

2 thoughts on “Geh mich ausm Wech oder ich schneid dir durch!

  1. „Wad willsde, du Deckschrubba?“ )<= Die richtige Antwort auf den Titel für alle die es nicht gleich erkennen).
    Meines Erachtens eignet sich das Beleidigungsfechten sehr gut zum Erlernen spontaner, guter Antworten. Auch die Überwindung so etwas in größerer Runde zu sagen gehört dazu. Daher würde ich von Kleingruppen absehen, auch wenn das bedeutet, dass die Teilnehmer aus ihrer Komfortzone herauskommen müssen.

    1. Ich verstehe beide Perspektiven. Ich kann mir auch gut eine Kombination vorstellen: Zuerst in Halbgruppen (bei vollen Workshops wären das bei uns immerhin sieben Personen), danach in der großen Gruppe. Es gilt bei der Übung wohl vorher darauf zu achten, ob sich trotz des spielerischen Charakters jemand unwohl fühlen könnte. Hängt halt auch vom Ziel ab…

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