„Dein verbogenes Schwert wird mich nicht einmal berühren.“

Guybrush Threewood

Guybrush Threewood

Früher war ja alles besser ;-) Da gab es wunderbare Computerspiele wie The Secret of Monkey Island, bei denen es zahlreiche Rätsel (oder besser: Puzzles) zu lösen gab. Zumindest ich hatte dabei viel Spaß und habe gehörig Zeit darauf verwendet. Vielleicht lohnt sich ja auch für die Lehre ein Blick auf das Thema, denn sollte es dort nicht auch immer wieder darum gehen, dass Lernende die Lösung für etwas entdecken (statt sie ihnen einfach zu zeigen)? Es folgt dazu ein weiterer meiner Gedankenausflüge in die Welt der Gamification, der für andere nicht unbedingt nützlich sein muss. Das dürft ihr selbst entscheiden.

Was wird in der Spielewelt eigentlich unter einem Puzzle verstanden? Jesse Schell sagt dazu etwas abstrakt: „Ein Puzzle ist ein Spiel mit einer dominanten Strategie.“ [1] Er meint damit, dass Puzzles statisch sind. Ist die dominante Strategie zur Lösung eines Puzzles erst einmal gefunden, kann sie immer wieder verwendet werden. Das Puzzle ist damit immer wieder lösbar, und das macht irgendwann natürlich keinen Spaß mehr, weil die Herausforderung immer dieselbe ist. Dann wird es langweilig. Aufgabe muss daher das schrittweise Entdecken dieser Strategie sein, nicht ihr Ausführen. Das unterscheidet nach Schell auch Puzzles auch von Rätseln, bei denen bloß eine richtige Antwort verlangt werde. Das unterscheidet Puzzles auch von dynamischen Spielen, in denen die richtige Strategie je nach Situation anders aussehen kann, etwa beim Schach.

An welchen Stellen finden wir Puzzles in der Lehre? An gar nicht so vielen, denke ich. Selbst dann, wenn es beispielsweise in der Mathematik eine bestimmte Lösung für ein Problem gibt, existieren oft mehrere Wege dorthin. Der eine mag dann effizienter sein als andere, aber grundsätzlich führen alle immer zum Ziel. Die obige Definition müssten wir deshalb etwas anpassen zu:

Ein Puzzle ist ein Spiel mit mindestens einer dominanten Strategie.

Zumindest dann, wenn es nicht überaus viele dominante Strategien gibt, die es zu entdecken gilt, bleibt das Grundproblem dasselbe: Habe ich erst einmal eine dominante Strategie gefunden, kann ich das Puzzle damit immer wieder lösen und langweile mich.

Bei der Spielgestaltung gibt es verschiedene Prinzipien, mit denen Puzzles attraktiv gemacht werden. Sie finden sich beispielsweise in der Theorie bei Jesse Schell [1], kommen aber auch aus der Praxis von Ron Gilbert [2] und Tim Schafer [3] – letztere sind verantwortlich für eben solch schönen puzzlehaltigen Spiele wie The Secret of Monkey Island. Stellvertretend greife ich fünf heraus, mehr gibt es in den Quellen:

  1. Klare Zielsetzung: Spielerinnen müssen wissen, welches Ziel sie überhaupt ansteuern sollen. Andernfalls erlahmt schnell das Interesse.
  2. Problemloser Einstieg: Der erste Schritt auf dem Weg zum Ziel sollte offensichtlich sein. Andernfalls kann schon hier Demotivation einsetzen.
  3. Erkennbare Fortschritte: Um Frustration zu vermeiden, sollten Fortschritte auf dem Weg zum Ziel sichtbar gemacht werden und nachvollziehbar sein. Eine kleine „Belohnung“ dann und wann für ein gelöstes Zwischenziel schadet nicht.
  4. Unterstützung, aber nicht zu früh: Sollte ein Spieler/eine Spielerin tatsächlich nicht weiterkommen, dann sollte ein Hinweis gegeben werden – aber nicht zu früh!
  5. Geschichte vorantreiben: Das Lösen eines Puzzles sollte einen Beitrag dazu leisten, die Geschichte hinter dem Spiel besser zu verstehen. Dafür muss es mit der Geschichte verwoben sein und einzelne Puzzles ineinander greifen.

Das Spannende – oder vielleicht doch wenig Überraschende – ist vielleicht mit Ausnahme des letzten Punktes die Übereinstimmung mit Forderungen an die Hochschullehre. Bei John Hattie finden sich dazu beispielsweise die Schlagworte „Transparente Leistungserwartung“ und „Feedback und Evaluation“: [4] Lehrende sollten präzise definieren und zu Beginn kommunizieren, welche Aufgaben Lernende zu meistern haben und was sie nach dem Unterricht können sollen. Studierende lernen außerdem besser, wenn sie möglichst unmittelbar informierendes Feedback zu ihren erzielten Fortschritten erhalten. Interessant könnte daher, weil weniger beachtet, tatsächlich das weitere Nachdenken über das Vorantreiben von so etwas wie einer Geschichte sein: Storytelling in der Lehre.

Quellen


[1] Schell, Jesse (2012): Die Kunst des Game Designs, Heidelberg, u. a.: mitp.

[2] Gilbert, Ron (1989): Why Adventure Games Suck – And What We Can Do About It, URL: http://grumpygamer.com/2152210 (zuletzt abgerufen am 10. November 2013).

[3] Heise.de (2013): GDC Next: Tim Schafer erklärt, wie Adventures funktionieren, URL: http://heise.de/-2041376 (zuletzt abgerufen am 10. November 2013).

[4] Hattie, John (2011): Which Strategies Best Enhance Teaching and Learning in Higher Education?, in: Mashek, Debra; Hammer, Elizabeth Yost (Hrsg.): Empirical Research in Teaching and Learning, Chicester: Wiley-Blackwell, S. 130-142.

2 thoughts on “„Dein verbogenes Schwert wird mich nicht einmal berühren.“

  1. Habe gerade deinen Post gelesen. Freue mich immer über Menschen, die bereit dazu sind quer zu denken. :-)
    Besonders die Lehre wäre sooo ein dankbares Feld dafür. Ich unterrichte auch ab und zu an der Hochschule. Die Herausforderung hier ist es seine eigene Gamificationarchitektur zu nutzen, ohne den Regeln des aktuellen Lehrbetriebes in die Quere zu kommen. ;-) Nervig, aber es geht.

    Cheers, Roman

    1. Die “Regeln des Lehrbetriebs”, ja… Das ist wie in der Matrix, in der die Regeln der Physik zwar nicht gebrochen – aber durchaus ordentlich gebeugt werden können. Habe ich mehrfach erfolgreich gemacht :-)

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