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Meine ersten Gehversuche mit Lernen durch Lehren – Teil 2

Gestern habe ich in meiner Vorlesung angekündigt, in vier Wochen eine komplette Sitzung per Lernen durch Lehren (LdL) abhalten zu wollen:  In Dreiergruppen sollen 25-minütige Phasen absolviert werden zu rechtlichen Aspekten im Online-Marketing. Die einzelnen Themen liegen zwar in unbekanten Gewässern (Online-Marketing), aber die Navigationskenntnisse sind bereits bei den angehenden Wirtschaftsjuristen vorhanden (Jura). Was es mit der Methode LdL überhaupt auf sich hat, habe ich kurz per Video von deren Entwickler Jean-Pol Martin angerissen, danach ergänzt und zusätzlich eine kurze schriftliche Ausarbeitung verteilt.

Wie erwartet habe ich damit Unsicherheit und Widerstand erzeugt – nicht unbedingt wegen der Methode, sondern weil sich langsam die Klausurenzeit im Januar nähert und ein zu hoher Zeitaufwand befürchtet wird. Er wird natürlich höher ausfallen als bei einer klassischen „Zuhörvorlesung“, aber nicht unverhältnismäßig – dafür wird jedoch bedeutend intensiver gelernt.

Es werden sicherlich noch Fragen aufkommen, die sich erst nach der Vorlesung ergeben haben. Jean-Pol Martin hat sich daher angeboten, diese kommende Woche per Skype-Zuschaltung zu beantworten. Vernetzung ist etwas Großartiges!

Meine ersten Gehversuche mit Lernen durch Lehren

Am vergangenen Freitag habe ich zum ersten Mal ausprobiert, das Konzept Lernen durch Lehren in einer Vorlesung einzusetzen. Da ich nicht wusste, wie die Studierenden überhaupt reagieren würden, bin ich nicht „streng“ nach Jean-Pol Martin vorgegangen und habe erst einmal eine ganz kurze Phase eingebaut.

In einem früheren Semester hatten die Studierenden sich in einer Einführung in das Marketing bereits mit den sogenannten „vier Ps“ bzw. dem Marketing-Mix beschäftigt. Diesmal galt es, spezielle Aspekte davon im Online-Marketing zu betrachten. Statt das Konzept einfach zu wiederholen, fragte ich zunächst, wer noch gut damit vertraut war – die Mehrheit war eher sehr unsicher. Eine mutige Studentin sagte offen, sie könne mit dem Begriff gar nichts mehr anfangen. Ich bat daher sie um Hilfe bei meinem „Experiment“ und schrieb das Wort Marketing-Mix in der Mitte der Tafel an.

Ich bat sie nach vorne (kurzer Schock), sagte ihr aber gleich, dass ihr das zum einen nicht peinlich sein müsse – schließlich wusste ja keiner mehr genau, worum es geht. Zum anderen hätte sie die einfachste Aufgabe: Sie müsse keine Fragen beantworten, sondern dürfe sich nun von den anderen den Marketing-Mix erklären lassen. Sie solle lediglich nachfragen, wenn Sie etwas nicht verstanden hatte, und gegebenenfalls Wichtiges an die Tafel schreiben. Alle erinnerte ich an die Neuronen-Metapher, die ich zuvor bereits einmal vorgestellt hatte, dann sollte es losgehen.

Ich habe mich ganz nach hinten gesetzt, außer Sichtweite. Ein Student fing sofort an, die Ps erst einmal aufzuzählen. Er kam aber nur auf drei der vier und sah mich an. Ich sagte nur, ich sei gar nicht da. Eine Studentin ergänzte sofort den fehlenden Begriff, und die Studentin vorne gruppierte alle vier an der Tafel um den „Marketing-Mix“. Ohne, dass ich etwas tun musste, wurden dann die einzelnen Instrumente näher von dem anfangs aktiven Studenten beschrieben, nach hinten sah auch niemand mehr.

Dann passierte etwas, was ich bisher noch in keiner Vorlesung erlebt hatte: Der Student erklärte etwas nicht ganz richtig, und eine Studentin drehte sich zu ihm um und wollte ihn offenbar korrigieren. Er berichtigte sich zwar just in diesem Moment selbst, aber hier wäre tatsächlich Interaktion zwischen den Studierenden entstanden!

Diese kurze Phase dauerte nur wenige Minuten, aber ich war beeindruckt:

  • Beteiligung, die ich nicht zentral anstoßen musste,
  • Interaktion zwischen den Studierenden, die es bisher nicht gab und
  • Zusammentragen des „verlorenen“ Wissens durch kollektive Intelligenz.

Es hat noch nicht alles geklappt. Ich hätte der Studentin, die mich vorne an der Tafel unterstützt hat (noch einmal danke!), wahrscheinlich vorher mehr Informationen geben sollen. Sie schien trotz des Arbeitsauftrags ein wenig hilflos zu sein. Das Ziel, die kurze Wiederholung des Themas Marketing-Mix, wurde aber spielend erfüllt. Ich bin begeistert, und LdL wird in Zukunft weiter verfolgt!