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Große Übung mal anders – mit Peer Reviews

In den vergangenen Wochen habe ich mehrere Lehrveranstaltungen besucht, in denen ich mir den Einsatz von Peer-Reviews gut vorstellen konnte. Da dieses Konzept in unseren Veranstaltungen und Unterlagen bei teach4TU gar nicht erwähnt wird, halte ich es für eine gute Idee, einen etwas längeren Beitrag dazu zu schreiben.

tl;dr

Unter Peer-Reviews wird in der Lehre die Beurteilung von Studierenden durch Studierende verstanden. Es wird meist für das gegenseitige Bewerten von Texten genutzt, lässt sich prinzipiell aber auch für Rechenübungen, Programmieraufgaben oder für die Bearbeitung von Fällen und Fallstudien einsetzen.

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Verflechtungsideen

Ich habe mich dazu überreden lassen, für die Veranstaltung Verflechtungen II: Medien, Bildung und Wissen in der Hochschule einen Vorschlag für einen Workshop einzureichen. Ich habe etwas gezögert, weil das Thema für mich schon irgendwie ein alter Hut ist, aber warum nicht!? Es folgt mein Vorschlag bisher, den ihr natürlich gerne kommentieren dürft.

Mein Vorschlag bisher

Ein Studium in Deutschland hat zum Ziel, Studierende zu wissenschaftlicher Arbeit zu befähigen. So will es §7 des Hochschulrahmengesetzes. Eng verbunden ist damit das Anfertigen von Texten, die Gütekriterien wie Nachvollziehbarkeit oder schlüssiger Argumentation genügen. Die Fertigkeit, Texte mit entsprechenden Merkmalen anzufertigen und so Wissen festzuhalten, kann auch in einem beruflichen Tätigkeitsfeldes jenseits der Forschung wertvoll sein. Denken Sie nur an das Entwickeln von Geschäftsmodellen, um Geld von InvestorInnen einzuwerben, oder an das Untersuchen und Dokumentieren eines Flugzeugabsturzes, um weiteren vorzubeugen. In der Praxis sind solche Texte oft keine Einzelleistung. Fächerübergreifend sind Forschungsergebnisse zunehmend das Ergebnis von Teamarbeit (vgl. Tacke 2010, S. 37-38). Nicht anders verhält es sich mit Ausarbeitungen in Unternehmen.

Wenn also Wissen bzw. Inhalte in Textform zunehmend kollaborativ entstehen, liegt es nahe, dies bewusst im Studium zu üben und dafür passende Werkzeuge einzusetzen. Zu diesen zählen etwa Wikis, und tatsächlich werden sie schon seit geraumer Zeit in der Hochschullehre verwendet (vgl. Bremer 2012, S. 81-82). Eher selten ist es jedoch, dass die studentischen Resultate dabei frei zugänglich gemacht werden. Noch seltener ist es, den gesamten Entstehungsprozess der Texte nach außen hin sichtbar zu machen oder gar Externen zu gestatten, daran mitzuwirken. Gegen ein solches geöffnetes Vorgehen wird zum Beispiel gerne der geschützte Lernraum ins Feld geführt: „Will ich als Studierender meine Lehrveranstaltung Externen dokumentieren? Will ich mit meinem Namen über Jahre hinweg für bestimmte, womöglich naive Thesen zu Zeiten des Studienbeginns stehen? Will ich mich und meine Lerninhalte überhaupt preisgeben und mich potenzieller Kritik aussetzen?“ (Hofhues 2010, S. 405-406) Dass diese Fragen keinesfalls klar mit „nein“ zu beantworten sind und Studierenden durchaus selbst darüber entscheiden können, zeigen öffentliche Seminare, die ich bereits vor einiger Zeit ausgearbeitet, angeboten und ausgewertet habe (vgl. Tacke 2013). Zu deren wesentlichen Besonderheiten zählten:

  • Die Seminararbeiten konnten ausschließlich in Gruppen bearbeitet werden,
  • die Texte wurden schrittweise in einem durchgängig frei zugänglichen Wiki verfasst und
  • es war wegen des Strebens nach Transdisziplinarität ausdrücklich erlaubt, dass sich Externe (z. B. PraktikerInnen) am Erstellen der Arbeiten beteiligen.

In die Planung und Durchführung flossen bereits verschiedene Aspekte ein, die im Beitragsaufruf zu Verflechtungen II angesprochen wurden. Die rigorose Öffnung der Seminare etwa sorgte für gehörige Irritation. Es ist in der Hochschullehre eher ungewöhnlich, den Lernprozess von außen beobachtbar zu machen. Den Studierenden, die an den Seminaren teilnahmen, bereitete dies jedoch keine sonderlichen Bauchschmerzen. Es dürfte darüber hinaus in der Hochschullehre die Ausnahme sein, dass sich externe Gruppen am Verfassen von Seminararbeiten beteiligen dürfen. Auch die im Beitragsaufruf gestellte Frage nach der Prüfung von Einzelnen bei kollaborativ erstellten Inhalten wurde konsequent gehandhabt. Es wurden ausschließlich Gruppennoten vergeben — auch wenn dieses pragmatische Vorgehen nicht durch alle Prüfungsordnungen gedeckt gewesen sein mag.

Für Verflechtungen II kann ich mir vorstellen, im Flipped-Conference-Format relevante Fragen zu diskutieren. Ausgehend von einer Vorbereitung durch die TeilnehmerInnen, etwa mittels http://www.olivertacke.de/2013/08/09/offentliche-seminare-in-wikis-fall-geschlossen/, würde ich ihre Fragen sammeln, etwa in einem Etherpad oder Wiki, um ausgehend davon einen Workshop von maximal zwei Stunden Dauer vorzubereiten.

  • Bremer, Claudia (2012): Wikis in der Hochschullehre, in: Beißwenger, Michael; Anskeit, Nadine; Storrer, Angelika (Hrsg.): Wikis in Schule und Hochschule, Boizenburg: Werner Hülsbusch, S. 81-120.
  • Hofhues, Sandra (2010): Die Rolle von Öffentlichkeit im Lehr-Lernprozess, in: Mandel, Schewa; Rutishauser, Manuel; Seiler Schiedt, Eva (Hrsg.): Digitale Medien für Lehre und Forschung, Münster: Waxmann, S. 405–414.
  • Tacke, Oliver (2010): Open Science 2.0: How Research and Education can benefit from Open Innovation and Web 2.0, in: Bastiaens, Theo J.; Baumöl, Ulrike; Krämer, Berndt J. (Hrsg.): On Collective Intelligence, Berlin, Heidelberg: Springer, S. 37-48.
  • Tacke, Oliver (2013): Seminararbeiten in öffentlichen Wikis verfassen – Einschätzungen aus der Perspektive von Studierenden und der Lehrperson im Fach Betriebswirtschaftslehre, URL: http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00051378, zuletzt abgerufen am 23.06.2015.

Eure Anmerkungen

Falls euch an meinem Text etwas auffällt, was ich bis zum 30. Juni unbedingt noch ändern sollte: immer her damit! In den Kommentaren ist mehr als genug Platz!

Das Whitepaper „OER an Hochschulen“ ist da!

Umschlagbild: Foto „Colorful Horizon Fractal“ von Devin Moore (CC BY 2.0), bearbeitet von Markus Deimann, Jan Neumann, Jöran Muuß-Merholz / open-educational-resources.de – Transferstelle für OER

Umschlagbild: Foto „Colorful Horizon Fractal“ von Devin Moore (CC BY 2.0), bearbeitet von Markus Deimann, Jan Neumann, Jöran Muuß-Merholz /
open-educational-resources.de – Transferstelle für OER

Hinter dem Begriff Wikipedia-Eintrag zu Open Educational Resources (OER) verbergen sich seit fast 15 Jahren Lehr-Lern-Materialien, die kostenlos genutzt, weiterbearbeitet und frei weitergegeben werden können und sollen. Ich habe mich mit dem Thema hier im Blog ja bereits häufiger beschäftigt. In Deutschland wurde es bisher leider nicht auf breiter Front diskutiert, gewann aber in der letzten Zeit etwas Aufmerksamkeit.

Speziell für das Feld der Hochschule ist heute das Whitepaper Open Educational Resources (OER) an Hochschulen in Deutschland — Bestandsaufnahme und Potenziale 2015 erschienen, bei dem ich dem Review-Team angehören durfte. Nach Einschätzung der Autoren wurde in Deutschland die Debatte um OER an Hochschulen in den ersten 10 Jahren nahezu verschlafen. Das Whitepaper bietet einen Überblick zu den zentralen Aspekte der Debatte und sei allen sehr ans Herz gelegt, die in der Hochschule in die Lehre involviert sind oder andere dabei begleiten!

p. s.: Wer lieber lauscht statt liest, sollte sich zudem mit dem Podcast ZugehOERt anfreunden. Er versorgt euch mit ExpertInnen-Interviews, die in das Whitepaper eingeflossen sind.