Immer wieder gerate ich in Diskussionen um das Thema Öffentlichkeit oder Offenheit. Gerade aus dem universitären Umfeld sind einige Menschen immer wieder erstaunt, dass ich so freizügig mit Ideen umgehe. Schnell kommt dann die Frage auf, was ich denn davon habe. Weshalb ich beispielsweise blogge, habe ich kürzlich schon einmal hier beantwortet.
Ein sehr lesenswertes Interview zu dem Thema gibt es mit Torsten Larbig, in dem er unter anderem erläutert, weshalb es ihn nicht in die akademische Publikationswelt zieht. Dazu möchte ich kurz anhand eines aktuellen Beispiels schildern, warum ich ganz ähnlich denke – auch wenn ich weniger konsequent bin als er.
Im Mai berichtete ich von den Gutachten zu einem Beitrag, den ich bei der Konferenz DeLFI eingereicht hatte. Er wurde abgelehnt. Ich habe den Artikel kurzerhand für jedermann frei zugänglich ins Netz gestellt. Ohne Verlag. Ohne „wissenschaftlichen Ruhm“ dahinter. Dieser Schritt wurde gar mutig genannt, weil der Artikel damit „verbrannt“ und aus wissenschaftlicher Sicht „wertlos“ sei. Das fände ich nun wirklich traurig. Wenn der Inhalt nichts taugt, dann ist das eine Sache. Wenn die wahrgenommene Qualität tatsächlich maßgeblich vom Publikationsort abhängt, dann scheint mir aber etwas sehr faul sein. Das wäre nun aber eine andere Geschichte, zurück zum Thema.
Was habe ich denn nun bisher davon gehabt? Ein ach so kostbarer Eintrag in meine Publikationsliste, den sonst niemand interessiert, ist es ja nun nicht. Ich wurde aber vergangene Woche per „Live-Schalte“ in eine Veranstaltung einer Professorin eingeklinkt und durfte von meinen Ergebnissen berichten. Jemand schätzte offenbar meinen Beitrag, und das wiederum werte ich als Anerkennung meiner eigenen Leistung. Ich bin außerdem genau wegen des besagten Artikels zur OER-Konferenz im September nach Berlin eingeladen worden, weil er dafür relevant ist und im Netz entdeckt wurde. Dafür brauchte ich keinen „wissenschaftlichen Passierschein“. Wer weiß, was sich direkt oder indirekt noch alles ergibt – allein durch das Bloggen habe ich schließlich auch schon verschiedene ähnliche Einladungen erhalten.
Absolutes Like.
„Dieser Schritt wurde gar mutig genannt, weil der Artikel damit “verbrannt” und aus wissenschaftlicher Sicht “wertlos” sei. Das fände ich nun wirklich traurig. Wenn der Inhalt nichts taugt, dann ist das eine Sache. Wenn die wahrgenommene Qualität tatsächlich maßgeblich vom Publikationsort abhängt, dann scheint mir aber etwas sehr faul sein.“
–> „Ob der Inhalt etwas taugt“ ist neben objektiven Kriterien (State-of-the-Art berücksichtigt, relevante Literatur, methodisches Vorgehen etc.) auch oft eine sehr subjektive Entscheidung der Reviewer. Und das kann in beide Richtungen gehen: Man kann von „Cooles Thema, tl;dr –> Accepted“ bis hin zum „Schon wieder der Schrott, das hatten wir doch schon, tl;dr –> Rejected“ alles dabei haben. Und das scheinbar auf jeder Art von Konferenz. Ich würde Dir also nicht absprechen, dass Du es wo anders „durchbekommen“ hättest.
„Verbrannt“ ist der Artikel aber dadurch nicht wirklich: Reduse, Reuse, Recycle ist durchaus gängige Praxis und gehört aus meiner Sicht auch zu einem Forschungsprozess dazu: hat man methodische Fehler, dann kann man die mit den Hinweisen beim nächsten Mal vermeiden. Ist formell einfach was daneben gegangen, kann der Artikel überarbeitet und erneut woanders eingereicht werden. Was doof wäre, ihn hier offen zu stellen und dann unverändert wieder einzureichen. Denn dann können die Reviewer die Kommentare ebenfalls wiederverwenden – und sie sollten es vielleicht sogar, wenn die Kritikpunkte nicht umgesetzt wurden. In einigen Disziplinen ist es durchaus üblich, die Submitted Drafts online zu stellen – um den Anspruch auf die Leistung zu erheben, vgl. http://arxiv.org/.
Und wenn es Dir die Einladung zum Vortrag gebracht hat, dann zeigt das doch, dass es nicht der falsche Weg gewesen sein kann. (Ich würde manchmal einfach nur Vortrag ohne Paper bevorzugen, verstehe aber, dass man bei besseren Konferenzen die Entscheidung nicht anders fallen kann – und für die Nachhaltigkeit ist es auch besser). Mir macht es durchaus Spaß zu publizieren und auf (die richtigen) Konferenzen zu gehen, aber es erzeugt schlichtweg eine Menge Arbeit und oft auch Stress –> Deadline Driven Research ;)
Danke für Deine Offenheit!
Anja, mir ging es hier nun wirklich nicht darum, das Thema DeLFI noch einmal aufzuwärmen. Der von dir zitierte Absatz hatte damit überhaupt nichts zu tun, sondern bezog sich ganz allgemein auf den verlinkten Tweet und der – meiner Ansicht nach verqueren Vorstellung von Wissenschaft – dahinter. Und das siehst du ja offenbar ebenso :-) Danke für dein Feedback!
Was bringt eine akademische Veröffentlichung in geschlossenen Veranstaltungen, wo eh nur peers entweder zerstreut hinhören, oder sich inspirieren lassen….Einen Beitrag mehr in einem eportfolio, das vielleicht irgendwann bei einer Bewerbung intern präsentiert wird….
Ideen und Gedanken sind creative commons, eine der (wenigen)positiven Kollateralnutzen der Internet Revolution. Gerade in Europa sollten sich die Silos auftun, die akademischen zu allererst, wenn sie nicht in sich verrotten und zerbröseln wollen. Nur wenn alle konsequent offen kreativ und innovativ vorgehen, könnte sich vielleicht noch etwas in Europa tun.
Die Frage ist vielleicht, was bringt eine Veröffentlichung wem warum – auf kurze und auf lange Sicht.