Am Ende jedes Hochschulsemesters wiederholt sich ein Ritual: Es wird evaluiert, was das Zeug hält. Studierende sollen Lehrveranstaltungen nach verschiedenen Gesichtspunkten bewerten. Das können beispielsweise sein:
- Wirkte die/der Lehrende fachlich kompetent?
- Beantwortete die/der Lehrende Zwischenfragen in befriedigender Form?
- Wie beurteilen Sie Ihren persönlichen Wissensgewinn und Lernerfolg in diesem Fach?
Evaluiert wird häufig jede einzelne Veranstaltung; oft auf Papier direkt im Hörsaal, weil dann die Rücklaufquoten höher sind. Die Bögen werden dann eingescannt und die Inhalte ausgewertet. Begründet wird dieses ressourcenverschlingende Prozedere damit, dass damit die Lehre verbessert werden könne. Diverse Gründe dafür, warum ich das für Nonsens halte, habe ich vor beinahe drei Jahren schon einmal angeführt. Der gesamte Apparat beschäftigt und beruhigt aber die Hochschulverwaltung, Sie hat damit wenigstens irgendetwas getan hat. Für Rückmeldungen an Lehrende, die ja tatsächlich sinnvoll sein können, ist dieser gesamte Apparat ungeeignet. Da gibt es bessere Ansätze.
Mehr Erkenntnisse zu dem Thema verspricht eine aktuelle Studie von PsychologInnen (Uttl, White & Gonzalez, 2016). Sie haben sich auf verschiedene Art und Weise zahlreiche andere Studien aus über 30 Jahren angesehen, zusammengeführt und diverse Schwächen ausgemacht. Ein zentrales Ergebnis ihrer Meta-Analyse lautet, dass man in einer von Studierenden gut bewerteten Veranstaltung nicht mehr lerne als in einer schlecht bewerteten. Wenn sich dieser Gedanke hinter „Verbesserung der Lehre“ verbirgt: Zonk!
Die Studie kommt jedoch noch zu einem weiteren Schluss. Die Resultate von studentischen Evaluationen seien ein Ausdruck von Zufriedenheit mit dem Angebot. Die würde ich nicht außer acht lassen wollen! Dumm ist nur, dass der Zusammenhang zwischen Lernen und Zufriedenheit ganz schon kompliziert ist. Ich traue mir da wirklich keine klare Aussage zu. Allenfalls: „Nicht alles, was zu mehr Zufriedenheit führt, muss schlecht für das Lernen sein. Kann es aber. Und irgendwie muss man sich für ’sein‘ Gleichgewicht entscheiden.“ Von Hochschulen halte ich es jedenfalls für ganz schön gewagt, wenn sie einzig Evaluationen als Messinstrument einsetzen und daran eine Verbesserung oder Verschlechterung der Lehre festmachen wollen. Was denkt ihr dazu?
Literatur
- Uttl, B., White, C. A. & Gonzalez, D. W. (2016). Meta-analysis of faculty’s teaching effectiveness: Student evaluation of teaching ratings and student learning are not related. Studies in Educational Evaluation, http://dx.doi.org/10.1016/j.stueduc.2016.08.007.
Du schreibst in Deinem Artikel, dass es „bessere Ansätze“ gäbe? Welche sind das Deiner Meinung nach?
Da wäre zum Beispiel die schlichte Maßnahme, als Lehrender selbst regelmäßig Raum für Rückmeldung in beide Richtungen vorzusehen. Unter anderem dafür ist die Sicherungsphase einer Veranstaltung da, die leider häufig gar nicht erst eingeplant oder rigoros der Zeit geopfert wird. Methoden gibt es dafür wiederum zahlreiche.
Das mit der Sicherungsphase „überspringen“ und ausfallen lassen kenne ich auch …
Müsste mal sowas hier für Schulungen, Seminare und Vorlesungen geben: https://twitter.com/CelpaxSolutions
:)
Du meinst allgemeiner „Audience-Response-Systeme“?
Es lohnt sich immer wieder, Kommentare in Deinen Blog zu schreiben… :) War mir bis gerade noch gar nicht bewusst, was es da bereits an umfangreichen Systemen gibt…
Schau ich mir mal bei Gelegenheit alles an. Danke für denk Link/Hinweis!
Muss ja einen Grund geben, warum ich in meinem alten Job bezahlt worden bin ;-)