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Free your mind

„I’m trying to free your mind, Neo.“ (Morpheus)

Nicht an gewohnten Denkweisen festzuhalten, das ist gar nicht einfach. Mal eine andere Perspektive einzunehmen, das kann richtige Arbeit sein! Ob das also klappen kann? Die Piraten haben jedenfalls dazu aufgerufen und alle Interessierten – unabhängig von Parteizugehörigkeit – für dieses Wochenende zur openmind nach Kassel eingeladen. Diesem Ruf bin ich gestern gerne gefolgt.

Auf dem Programm standen neben Vorträgen zu „Das Ich ins Netz exportieren?„, „Muss das Urheberrecht fallen?“ oder „Ideologie und Emanzipation“ auch der Workshop „The Future Backwards – Wie funktioniert Strategiefindung?“ und einige Themen in einem BarCamp-Track. Sehr beeindruckend empfand ich dabei das gebotene hohe Niveau. Klasse Teilnehmer!

Ich selbst habe die bewusst provokative Frage gestellt, ob Bildungsvisionäre vielleicht zum Arzt gehen sollten. Die kommt mir nämlich gelegentlich in den Sinn, wenn man an der Uni in der Lehre etwas bewegen will und dann über verschiedenste Steine stolpert oder auch mal frontal gegen eine Wand rennt. Präsentiert habe ich meine eigenen Gedanken und Erfahrungen, die zunächst nahelegten: Leute, geht zum Arzt. Packt eure Visionen ein, das funktioniert alles nicht. Nicht meine Meinung, aber lehrreich, auch mal diese Haltung einzunehmen. Im Nachgang habe ich dann hingegen Beispiele genannt, die das Gegenteil andeuten und zu einem Gleichstand der Sichtweisen führen. Es geht. Aber sicher nicht immer und überall, und der Weg dahin ist gepflastert mit zahlreichen Schwierigkeiten. Das ist harte Arbeit und das zeigte auch die anschließende Diskussion.

Was habe ich dabei gelernt? Ich muss dringend „Vortragen“ üben, das liegt mir nicht. Auch wenn die Veranstaltung openmind heißt, hätte meinem Beitrag eine stärkere Fokussierung gut getan. Dann hätte ich die einzelnen Dinge ausführlicher ansprechen können statt viele einzelne nur grob anzureißen. Würde mich im Nachhinein nicht wundern, wenn sich einige gefragt haben, wovon ich da überhaupt erzähle. Das werde ich versuchen auszubügeln, wenn ich das Ganze verschriftliche.

Ich bedanke mich auf jeden Fall ganz ganz herzlich bei den Organisatoren! War nicht nur inhaltlich für mich sehr spannend, sondern auch auf einer persönlichen und sozialen Ebene.

Und wer einen kleinen Einblick haben möchte, was da sonst noch los ist: Das Programm des heutigen Tages steht meinem Gefühl nach thematisch unter dem Zeichen der Freiheit und kann per Live-Stream von Raum 1 oder Raum 2 oder auch über Twitter verfolgt werden.

Piraten am Start

Am vergangenen Wochenende war ich auf dem Programmparteitag der Piratenpartei Niedersachsen – mein erster Parteitag. Nachdem ich zuvor gehört hatte, dass das wenig produktive Veranstaltungen sein sollen, war ich skeptisch. Es kam aber zum Glück anders.

An erster Stelle hervorzuheben ist die Organisation: erstklassige Räumlichkeiten, WLAN-Zugang, kostenlose Verpflegung, Kaffee und ClubMate (letzteres gegen Bares), eigener Titelsong, … Danke an alle helfenden Hände! Angenehm empfand ich auch die Diskussionen: sachlich, teils mit Augenzwinkern und „hart aber fair“. Und die Piraten zogen auch Anträge zurück, wenn sie feststellten, dass sie etwas doch noch nicht weit genug durchdacht hatten.

Einen solchen Antragsrückzug habe ich denn auch bewirkt: Die Einschränkungsfähigkeit von Versammlungen sollte laut Antrag aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Der Antrag bestand aus zweieinhalb Zeilen ohne Begründung und wäre beinahe auch einfach so durchgegangen. Für Tag 2 habe ich deshalb nachts noch Kommentare zum Grundgesetz gewälzt um überhaupt eine Informationsgrundlage zu schaffen. Eigentlicher Übeltäter sind nämlich allenfalls die Versammlungsgesetze der Länder. Mein mündlicher Appell war dann auch erfolgreich – erste Kerbe im Holz(bein). Als Hausaufgabe für mich nehme ich mit, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie man Anträge besser gestalten und so bessere Entscheidungsgrundlagen schaffen kann.

Viele Abstimmungsergebnisse zu anderen Themen waren mir sympathisch, mit einigen war ich nicht so zufrieden – aber muss ich auch nicht sein. Ich habe nämlich das schöne Gefühl, auch etwas bewegen und ändern zu können bei den Piraten! Da ich es schade fand, dass der Antrag zum Bildungsprogramm nicht angenommen wurde, bin ich auch kurzerhand der AG Bildung beigetreten :-) Bekomme ich irgendwie noch unter, hoffe ich.

Insgesamt eine tolle Veranstaltung und für mich eine Bestätigung im Piratendasein! RTL berichtet jedenfalls ganz positiv.

Sollten Bildungsvisionäre zum Arzt gehen?

Anfang Oktober wird in Kassel die Konferenz openmind #om10 mit angeschlossenem BarCamp stattfinden – und dafür habe ich gerade folgenden Vorschlag eingereicht.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt prägte vor dreißig Jahren den Satz: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“ Damit bestritt er sicher nicht die Notwendigkeit, sich über zukünftige Entwicklungen Gedanken zu machen, mahnte aber zur Vorsicht vor Luftschlössern fernab der Realität.

Im Bildungsbereich werden nun von verschiedenen Seiten Rufe nach Veränderung laut: Man fordert selbstbestimmtes, gemeinsames und partizipatives Lernen; man wünscht sich mehr Öffentlichkeit der Wissenschaft, um allen Zugang zum Wissen zu verschaffen; und ohne digitale Medien sei Bildung sowieso nicht möglich. Doch was davon sind tatsächlich tragfähige Vorstellungen und was Unfug? Was sachlich fundierte Forderungen und was ideologisch begründete, nicht umsetzbare Utopien? Sollten die Bildungsvisionäre vielleicht zum Arzt gehen?

In einem kurzen Vortrag, gerne mit viel Raum für Diskussionen beziehungsweise einem Workshop im Anschluss, würde ich einige der genannten Forderungen diskutieren und mit theoretischen Erkenntnissen und auch praktischen Erfahrungen bestärken oder abschwächen, so dass eine Grundlage für eine (hoffentlich) umsetzbare Vision gegeben werden kann. Im Mittelpunkt ständen dabei ausdrücklich nicht allgemeine Strukturen oder Rahmenbedingungen, sondern die individuellen Bedürfnisse von Lernenden und Lehrenden sowie deren zwischenmenschliche Interaktion in Bildungskontexten.

Bin gespannt, ob das was wird.