„E-Assessments sind ein guter Anlass, um sich wieder mit der Qualität von Prüfungen zu beschäftigen“

E-Prüfungsraum der Universität Göttingen

E-Prüfungsraum der Universität Göttingen

Gestern war ich unterwegs in Göttingen zur Tagung E-Prüfungen – Was ist heute schon möglich?. Mit dem Thema hatte ich mich zuvor überhaupt noch nicht befasst und wollte einen Überblick bekommen – das ist gelungen. Meine zwei persönlichen Highlights waren dabei die Denkanstöße von Karsten Wolf (Uni Bremen) und Michael Beurskens (Uni Düsseldorf).

Karsten Wolf weitete erst einmal den Titel der Veranstaltung etwas aus und sprach statt E-Prüfungen von E-Assessments. Damit ist dann eher der Prozess des Dokumentierens von Wissen, Fähigkeiten oder Überzeugungen gemeint, und der zielt nicht auf eine bloße Leistungsmessung ab.

E-Assessments sind ein guter Anlass, um sich wieder mit der Qualität von Prüfungen zu beschäftigen. (Karsten Wolf)

In seinem Vortrag bekam ich schon zu Beginn der Veranstaltung genau das, was ich mir erhofft hatte: einen Überblick. Er streifte Bezugsnormen von Assessments bzw. Prüfungen (individuell, sozial, sachlich), zeigte kurz auf, was bei summativen Assessments (Blick auf das Ergebnis) und formativen Assessments (Blick auf den Prozess) auf elektronischem Wege schon ganz gut klappt – und was noch nicht – und streifte Test Wiseness Tests, mit denen sich die Güte von Multiple-Choice-Tests verbessern lässt. In diesem Zusammenhang habe ich mir den Namen Kathleen Scalise notiert, von der er ein Schaubild mit einer Einteilung zeigte. Die werde ich im Nachgang noch suchen.

Michael Beurskens ist Jurist und beschäftigte sich mit rechtlichen Aspekten von E-Prüfungen. Dabei ging er aber weniger darauf ein, was alles verboten sein könnte. Er zeigte stattdessen, was tatsächlich schon alles möglich ist! Überrascht war ich beispielsweise darüber, dass mündliche Prüfungen grundsätzlich auch per Video-Konferenz erlaubt sind, wenn ein Protokoll dazu geführt wird. Ebenfalls eine interessante Information für alle, die aus irgendeinem Grund das Bild von klagenden Studierenden im Kopf haben: Prüfungen werden wirklich selten angefochten, meist nur von Medizin- oder Jura-StudentInnen, und sie sind wohl gerade einmal in drei Prozent der Fälle erfolgreich.

Die anderen Beiträge kamen an diese beiden nicht heran; teilweise waren sie wirklich nicht das, was ich mir erhofft hatte. Aber mein Wunsch nach einem Überblick wurde in jedem Fall erfüllt. Danke an die OrganisatorInnen!

Update

Von meiner Kollegin Claudia Frie gibt es einen kurzen Blog-Beitrag zum zweiten Veranstaltungstag: E-Assessment – schade, wer da nur an E-Prüfungen denkt.

Der wertvolle Blick von außen

In den vergangenen drei Tagen durfte ich zusammen mit Sandra Hofhues einen Workshop leiten, dabei habe ich selbst viele Impulse zum Nachdenken mitgenommen.

Besonders wertvoll fand ich ihren Blick von außen, denn sie hat einen anderen Arbeitgeber als ich. Sie stellte mir die vollkommen berechtigte Frage, weshalb ich so viel mit vorgefertigten FlipCharts oder einer Meta-Plan-Wand arbeitete und nicht etwa Schaubilder einer digitalen Präsentation nutzte. Ja, warum eigentlich? Darüber musste ich erst einmal nachdenken, denn ich bin ja eigentlich sehr e-affin.

Der vermutlich schwerwiegendste Grund lautet: Ich bin wohl Opfer von Sozialisation. Auf der einen Seite habe ich die PowerPoint-Orgien der meisten ProfessorInnen in meinem eigenen Studium gehasst. Ich reagiere immer noch allergisch auf lieblos zusammengeklatschte Folien ohne erkennbare Struktur, mit endlosen Aufzählungspunktketten und hässlichen Bildchen. Auf der anderen Seite bin ich in meiner eigenen hochschuldidaktischen Weiterbildung nur sehr selten mit digitalen Medien in Berührung gekommen. Ich fürchte, das habe ich schlicht unreflektiert übernommen. Monkey see, monkey do.

Das heißt nun nicht, dass ich den Einsatz analoger Medien eigentlich ablehne. Einerseits lassen sich auf FlipCharts schnell Dinge ergänzen, die von TeilnehmerInnen eingebracht werden. Das ginge zwar prinzipiell auch anders, etwa wenn das Bild eines Tablets für alle sichtbar projiziert wird, scheitert aber gegebenenfalls (noch) an fehlender Technikausstattung. Das Nicht-Papier-Resultat lässt sich außerdem weniger einfach für alle permanent sichtbar im Raum halten.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre das vermutlich so etwas wie ein großes 50″-Tablet auf Rollen mit Internetanbindung, das ich einfach verschieben kann. Nein, eigentlich möchte ich sogar wie Tony Stark dreidimensionale Bilder und andere Inhalte per Gestensteuerung im Raum verteilen können :-)

Wie auch immer, ich bin dankbar für den wertvollen Blick von außen und werde in naher Zukunft einige Dinge anpassen. Und außerdem habe ich so auch einen guten Vorwand, um meinen Technikfuhrpark zu erweitern ;-)

Aktives Zuhören in der Schillerstraße

Ein Problem von Workshops in der hochschuldidaktischen Weiterbildung ist es, dass Übungssituationen mitunter künstlich sind. Wenn beispielsweise das Aktive Zuhören ausprobiert wird, wissen das beide GesprächspartnerInnen, und das kann komisch wirken. Im Anschluss muss jeder für sich die Methode weiter erkunden, etwa in Beratungsgesprächen mit Studierenden. Das ist ganz normal. Oder wie es ein Workshop-Teilnehmer einmal ausdrückte: „Das Lernen geht nach dem Workshop erst los.“ Er beklagte aber im selben Atemzug, dass dann niemand zugegen sei, der die Situation beobachte und Rückmeldung gebe – oder mit dem er sich zu Schwierigkeiten wenigstens hinterher austauschen könne.

Was tun? Spontan kam mir das Spiel „Party Dinner“ in den Sinn. Das heißt nicht wirklich so, glaube ich, aber der richtige Name ist mir entfallen. Muss ich die Tage mal in Erfahrung bringen und mir besorgen. Es funktioniert wohl in etwa so: Vor einem Essen in geselliger Runde mit FreundInnen erhält jeder Anwesende geheime Aufträge, zum Beispiel „Klaue deinem Sitznachbarn eine Kartoffel vom Teller, ohne dass er es merkt“ oder „Starte eine Diskussion zum Thema XY“. Das ist so ähnlich wie das Prinzip der Sendung Schillerstraße, bloß mit freier Zeiteinteilung. Nach dem Essen werden die Aufträge offen gelegt und es hat derjenige gewonnen, der die meisten absolviert hat.

Übertragen auf Workshops könnte das heißen, dass jeder Teilnehmende am Morgen einige Aufgaben erhält – vielleicht tatsächlich „Spiegele die Aussagen von drei Personen nach dem Prinzip des Aktiven Zuhörens“ oder „Bringe in eine Plenumsdiskussion Thema XY ein“ oder, oder, oder. Inhalt und Formulierung sollten natürlich auf die Lernziele abgestimmt sein. In der Abschlussphase am Ende des Tages werden die Aufträge preisgegeben und besprochen.

Auf diese Weise gibt es zum Üben realistische(re) Situationen und zumindest unmittelbare AnsprechpartnerInnen vor Ort, um sich hinterher zu Schwierigkeiten auszutauschen. Vielleicht wäre tatsächlich auch ein Aufbau denkbar, in dem es zusätzlich Beobachter gibt?! Auch als Variante zur Wiederholung von Themen aus früheren Workshops wäre die Methode einsetzbar. Angepasst an Uni-Seminare funktioniert die Sache möglicherweise auch dort. Und Spaß macht sie vielleicht obendrein :-)

So weit die erste Idee, die es noch zu durchdenken, auszubauen, zu erproben und vielleicht auch zu verwerfen gilt. Was denkt ihr darüber? Was findet ihr schon gut? Was müsste gegeben sein, damit sie gelingt? Was müsste vielleicht noch geklärt werden?