Wo bleibt der Notfallplan?

Ich blogge ja viel zu wenig. Meine Gedanken interessieren vermutlich sowieso nicht sonderlich, aber ich gucke von Zeit zu Zeit gerne mal in mein eigenes Denkarium. Ist mal wieder so weit.

Aktuell ist Julian Assange in der Presse wegen einer Sache von von 10 Jahren: Wikileaks. Ich berichtete :-) Er sitzt in England in Haft, wo er auf eine Entscheidung darauf wartet, ob er an die USA ausgeliefert werden darf oder nicht. Warum? Weil er Kriegsverbrechen der USA öffentlich bekannt gemacht hat und die USA ihn gerne bis an den Rest seines Lebens wegsperren möchten.

Momentan steht ein Urteil des höchsten britischen Gerichts aus, das die Entscheidung über seine Auslieferung zu treffen hat – in vorheriger Instanz wurde befunden, er dürfe ausgeliefert werden. Aber selbst, wenn das rechtens wäre, hieße dass noch nicht, dass er ausgeliefert werden müsste. Das wäre eine politische Entscheidung der britischen Regierung und im Falle einer Auslieferung ein Schlag gegen die Pressefreiheit. Und hier geht es los.

Demokratische Staaten könnten es nicht ganz so toll finden, wenn die Pressefreiheit dermaßen ignoriert wird. Demokratischen Parteien und deren Mitgliedern könnte es ebenso gehen. Schauen wir uns doch zwei Exemplare davon an.

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Roland Habeck, damals (26.01.2021) Parteivorsitzender der Grünen: „Doch, ich fordere die Freilassung von Julian Assange“ Den „Brief der 120 für die Freiheit von Julian Assange“ hat er ebenfalls unterzeichnet. Heute ist Roland Habeck Stellvertreter des deutschen Bundeskanzlers und scheint seine Stimme verloren zu haben.

Und dann ist da noch Annalena Baerbock. Am 14.09.2021 antwortete Sie als damals Parteivorsitzende der Grünen und Kanzlerkandidatin auf eine Frage auf abgeordnetenwatch.de, sie (die Grünen) forderten die sofortige Freilassung von Julian Assange. Sie wird wissen, warum sie nicht in der ersten Person geantwortet hat, denn inzwischen mochte sie sich offenbar nicht mehr dazu äußern. Inzwischen ist die Bundestagswahl nämlich vorbei, und Annalena Baerbock ist deutsche Bundesaußenministerin.

Ist es der Gedächnisverlust von Bundeskanzler Olaf Scholz, der ansteckend ist? Ist es feiges politisches Taktieren? Man könnte ja bis zur Verkündung des Urteils mal die Klappe halten, vielleicht entscheidet das britische Gericht ja, dass Assange sowieso nicht ausgeliefert werden darf – dann muss man nicht Stellung gegen die USA beziehen.

[Ergänzung am 14.02.2022 (danke, Josef): Statt Aussagen gibt es Null-Aussagen: Die Bundesregierung zweifele nicht an der Rechtsstaatlichkeit des britischen Systems. Darum ging es überhaupt nicht, sondern um ein politisches Bekenntnis zur selbst beschworenen Werteorientierung.]

Ich bin für eine Freilassung von Assange, aber hier geht es mir nicht einmal um die Sache. Ich bin einfach desillusioniert. Ich habe die Grünen trotz viel Sympathie nicht gewählt – zu viele Homöopathie-Esoterik-Geschwurbel-Spinner. Ich habe aber geglaubt, das führende Personal der Grünen würde sich nicht auf das „Was kümmert mich mein Geschwätz von vor der Wahl!“-Spiel einlassen und Stellung beziehen – oder wenigstens transparent und ehrlich darlegen, warum man nun von den früheren Forderungen abgewichen ist. Ich habe geglaubt, mit dieser Partei in Regierungsverantwortung würde sich tatsächlich mal etwas grundlegend ändern. Wie dumm von mir. Und warum sollte ich nun noch glauben, dass diejenigen, die ich künftig wähle, tatsächlich etwas anders machten, wenn sie in Regierungsverantwortung kämen? Wo ist der Notfallplan, der anläuft, um meinen Glauben in die Demokratie wiederherzustellen?

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Dann zukünftig wohl doch die Partei die PARTEI. Man sagt, sie sei sehr gut.

5 thoughts on “Wo bleibt der Notfallplan?

  1. Dazu passend natürlich gerade das Zitat unten auf deiner Seite von Carl, dem ich immer wenn ich nach Lübeck fahre an seinem Stolperstein die Ehre erweise:

    „In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist als der, der ihn gemacht hat.“
    — Carl von Ossietzky

    1. Hoffnung für Assange, ja – obwohl solche Briefe die britische Regierung sicher nicht viel kümmern. An dem Verhalten der deutschen Regierungsmitglieder, die nach ihrem Amtsantritt plötzlich lieber schweigen, ändert das aber nichts.

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