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„Oh, du programmierst?!“

Ist euch der Satz aus dem Beitragstitel schon einmal zu Ohren gekommen? Ist euch schon einmal ein etwas bewunderndes „Oh, du programmierst?!“ entgegen gebracht worden? Nein? Mir auch nicht. Gestern beim Mittagessen durfte ich aber ein „Oh, du komponierst?!“ vernehmen, das an jemand anderes gerichtet war. Das hat Gedanken bei mir losgetreten.

Ich denke, Programmieren kann ebenso kunstvoll sein wie Komponieren, Dichten oder Malen — nicht, dass ich selbst ein begnadeter Programmierer wäre. Davon bin ich meilenweit entfernt. Aber sind Programmieren und Komponieren sich nicht ganz ähnlich?

  • ProgrammiererInnen setzen Codebausteine und erzeugen Quelltext, KomponistInnen setzen Noten und erzeugen einen Notensatz.
  • Aus Quelltext wie aus Notensatz lassen sich mitunter persönliche Eigenheiten der Schöpfenden erkennen.
  • Beim Programmieren entsteht Software, die man nutzen kann; beim Komponieren ist es Musik, die man sich anhört.
  • Beim Programmieren wie beim Komponieren gibt es verschiedene Stile und Gestaltungsmuster.

Vor allem aber: Programmieren und Komponieren sind schöpferische Prozesse, die mitunter viel Phantasie erfordern. Warum also würden die meisten Menschen wohl sofort zustimmen, dass Musizieren, Malen, Dichten, Theaterspielen zur Kunst zählen, nicht aber das Programmieren?

Eine Antwort, die ich erhielt: „Bisher habe ich unter Programmieren immer nur so etwas wie Auftragsarbeit verstanden.“ Dass man auch einfach so frei für sich programmieren kann, schien durchaus klar zu sein, aber nicht tatsächlich bewusst. Selbst bei Auftragsarbeit müsste ich aber die Frage stellen, ob sie als Ausschlusskriterium taugt. Selbst wenn das Was vorgegeben ist, kann das Wie immer noch kunstvoll gestaltet sein. Sollte das aber nicht gelten, dann spreche ich der Zauberflöte von Mozart hiermit auch den Status der Kunst ab.

Eine weitere Antwort, die ich nachvollziehen kann: „Musik, Theater & Co. hätten eine viel längere Entwicklungsgeschichte und Tradition.“ Dann sollten ProgrammiererInnen vielleicht häufiger irritieren und sagen, dass sie das Instrument Tastatur spielen. Möglicherweise schafft das dann einen guten Ausgangspunkt, um das Wesen des Programmierens mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Natürlich ist nicht alles Programmieren Kunst, genauso wenig wie jedes Musik- oder Theaterstück dazu zählen dürfte. Außerdem bestehen vermutlich noch sehr viele weitere Tätigkeiten, die gleichsam der Kunst zugeschrieben werden können. Warum habe aber den Eindruck, MINT-ige Disziplinen und Kunst werden von vielen als zwei getrennte Sphären wahrgenommen?

Was geht euch dazu durch den Kopf?

Man kann mit einem Computer Kunst und Schönheit schaffen

In der Hacker-Ethik nach Stephen Levy heißt es:

Man kann mit einem Computer Kunst und Schönheit schaffen.

Ich finde, das stimmt. Für mich stelle ich das besonders immer dann fest, wenn ich mir Demos für den C64 anschaue. Für die jüngeren Leser: Der C64 war ein Computer, der in den 80er Jahren in voller Blüte stand und seit fast 20 Jahren nicht mehr produziert wird – und trotzdem beschäftigen sich noch Leute damit und produzieren fantastische kleine Kunstwerke, die sogenannten Demos. Was auf den ersten Blick mit sehr gering aufgelösten Videoclips verwechselt werden könnte, sind in Wirklichkeit Programme, die Bild und Ton erst berechnen und auf den Bildschirm zaubern. Beim C64 heißt das, das ein 1-MHz-Prozessor ordentlich ins Schwitzen gerät und sich Programmierer gehörig verbiegen müssen, um 64 Kilobyte Arbeitsspeicher, 320×200 Pixel und drei Sound-Kanäle so richtig zum Leben zu erwecken.

Ich verstehe sehr gut, dass das jemand nicht nachvollziehen kann, der nicht mit dem Brotkasten aufgewachsen ist. Für viele dürften die Demos bloß ein unschöner Pixelbrei mit nervtötender Musik sein. Die Programme lassen aber gerade bei solchen Menschen das Herz höher schlagen, die selbst auf dem C64 programmiert haben und wissen, wie kostbar Rechenzeit ist und welcher Gehirnschmalz und welche Mühe in den Quelltext geflossen sein müssen. Aber vielleicht findet der eine oder andere ja auch so Gefallen an den Werken und entdeckt deren Ästhetik (etwa in der C64 Scene Database).

Unvollständig, aber eine kleine Auswahl meiner Favoriten habe ich hier einmal aufgeführt. Tatsächlich erscheinen bis heute jedes Jahr noch neue Kunstwerke.

Crest, Oxyron (2000): Deus Ex Machina

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Fairlight (2005): Boogie Factor

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Shape (2010) Artillery

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Samar (2012) Dream Travel

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Oxyron (2012) Coma Light 13

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Ich bin sehr gespannt, was die Demo Scene 2013 aus dem C64 noch herauskitzeln wird!